AAU: Nachhaltigkeitsforschung fordert in NATURE-Kommentar die Umsetzung von fünf Eckpfeilern hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie
Fossile Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen, ist ein Ziel der Bioökonomie. Ihr geht es darum, Produkte, Verfahren und Dienstleistungen im Rahmen einer zukunftsfähigen Wirtschaftsweise bereitzustellen. Diese wissensbasierte Nutzung biologischer Ressourcen kann unter anderem dazu beitragen, Hunger zu verhindern, Wasser- und Energieversorgung sicherzustellen oder den Klimawandel zu bekämpfen. Nun fordern führende Forscherinnen und Forscher in dem Bereich, darunter Daniel Barben (Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung der AAU) in einem Kommentar in NATURE die Umsetzung von fünf Eckpfeilern, die zu einer nachhaltigen Bioökonomie führen sollen.
„Ein Beispiel für Bioökonomie ist die Kunststofferzeugung: Ersetzt man das Öl durch pflanzliche Rohstoffe, kann man annähernd klimaneutral produzieren. Pflanzen wachsen nach und entziehen bei ihrem Wachstum der Atmosphäre genau so viel CO2 wie bei einer eventuellen Verbrennung wieder freigesetzt wird“, erläutert Daniel Barben. Mit ihren vielfältigen Möglichkeiten kann die Bioökonomie einen wichtigen Beitrag zur Lösung globaler Probleme leisten. Darunter fallen die Gesundheit und Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung, deren nachhaltige Versorgung mit Energie, Wasser und Rohstoffen sowie der Boden, Klima- und Umweltschutz.
Die Strategien und Auswirkungen der Bioökonomie unterscheiden sich weltweit: Was an dem einen Ort funktioniert, verursacht andernorts Probleme. Es brauche daher abgestimmte weltweite Prioritäten und Zugänge, um solche indirekten negativen Effekte zu verhindern. Um darüber zu beraten, haben sich im November 2015 mehr als 700 ExpertInnen aus 80 Ländern zum ersten Global Bioeconomy Summit in Berlin getroffen. Aus dieser Veranstaltung gingen auch die fünf Eckpfeiler hervor, die in der aktuellen Publikation vorgestellt werden.
Zentrales Ziel ist es, weltweit zunehmend fossile durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen und dabei der Ernährungssicherheit Vorrang einzuräumen (insbesondere gegenüber der Nutzung von Biomasse für die Energieproduktion). Da Bioökonomie nicht per se nachhaltig ist, geht es darum, ihre wirtschaftliche Entwicklung im Hinblick auf Umweltverträglichkeit und soziale Gerechtigkeit auszugestalten. Die fünf Prioritäten einer internationalen politischen Agenda auf dem Weg in eine biobasierte Wirtschaft lauten:
- Biologische Ressourcen in neuen, sektorübergreifenden Kreisläufen intelligent nutzen und Ökosysteme schützen,
- die Beiträge der Bioökonomie zu den nachhaltigen Entwicklungszielen messbar machen und gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen zuführen,
- die internationale wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit fördern,
- Ausbildung, gemeinsames Lernen und Dialog vorantreiben sowie
- die Bioökonomie in internationalen Organisationen, in der internationalen Politik und im Welthandel berücksichtigen.
„Die Diskussion zu diesen Punkten soll sofort starten, damit die entsprechenden Strukturen bis zum nächsten Global Bioeconomy Summit im Jahr 2017 vorhanden sind“, so Daniel Barben zur weiteren Vorgehensweise.
Beate El-Chichakli, Joachim von Braun, Christine Lang, Daniel Barben & Jim Philp: Five cornerstones of a global bioeconomy. In: Nature, 535, 221–223 (14 July 2016) doi: 10.1038/535221a, http://www.nature.com/news/policy-five-cornerstones-of-a-global-bioeconomy-1.20228, http://rdcu.be/jhFc.
Rückfragehinweis:
Univ.-Prof. Dr. Daniel Barben
TeL: +43 463 2700 6141
Daniel.Barben@aau.at
AAU: Nachhaltigkeitsforschung: Neues Buch zu den Wechselwirkungen von Gesellschaft und Natur
Ein neues Buch, das rechtzeitig zum 3rd ISA Forum of Sociology 2016 in Wien erscheint, präsentiert den aktuellen Stand der Wissenschaft der Wiener Schule der Sozialen Ökologie. Das konzeptuelle Repertoire der Sozialen Ökologie wird darin in seiner Breite und mit einer Vielzahl an empirischen Studien und neuen Ergebnissen dargestellt.
Einer Bestandsaufnahme des aktuellen Standes der Wissenschaft in der inter- und transdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung aus der Perspektive der Wiener Schule der Sozialen Ökologie, einer der bekanntesten Forschungsgruppen weltweit auf diesem Gebiet, ist eine umfangreiche neue Publikation gewidmet. Herausgegeben wurde das Buch von Helmut Haberl, Marina Fischer-Kowalski, Fridolin Krausmann und Verena Winiwarter.
Das Buch bietet eine Einführung in die Grundlagen der Sozialen Ökologie und verortet die Wiener Schule in der breiteren sozial-ökologischen und interdisziplinären Nachhaltigkeitsforschung. „Die Besonderheit der Sozialen Ökologie Wiener Prägung besteht in der systematischen und, soweit möglich, konsistenten Verbindung von natur-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Zugängen und Methoden in kollaborativen Forschungsansätzen“, meint Marina Fischer-Kowalski, die Gründerin des Instituts.
Konzeptuelle und methodische Grundlagen der Sozialen Ökologie werden detailliert vorgestellt und erlauben so der Leserschaft, einen Überblick über das gegenwärtige sozial-ökologische Denken zu gewinnen. Der Fokus liegt dabei auf Prozessen der Gesellschaft-Natur-Interaktion, also z. B. den gesellschaftlich-wirtschaftlichen Faktoren, die zu nicht-nachhaltigen Mustern der Ressourcennutzung führen. „In den letzten Jahrzehnten ist es uns gelungen, eine breite Palette an Themen zu bearbeiten, die unterschiedliche Nachhaltigkeitsprobleme in verschiedenen Weltregionen, zu verschiedenen Zeitpunkten und auf unterschiedlichen Skalenebenen adressieren“, erklärt Helmut Haberl als Institutsvorstand des Instituts für Soziale Ökologie an der Alpen Adria Universität. Die Themen spannen den Bogen von sozial-metabolischen Transitionen, über sozial-ökologische Ansätze der Landnutzungsforschung, der Beziehung zwischen akteurszentrierter und systemischer Forschung und einer sozial-ökologischen Theorie der Arbeit bis hin zur Bedeutung der Vermächtnisse früheren gesellschaftlichen Handelns für heutige Nachhaltigkeitsprobleme, wie sie etwa in der Umweltgeschichte und der sozial-ökologischen Langzeitforschung beschrieben und analysiert werden.
Dieser Überblick wird empirisch untermauert mit zahlreichen aktuellen Forschungsergebnissen aus einer Vielfalt von Themen, zu denen in der Wiener Schule der Sozialen Ökologie in den letzten Jahren gearbeitet hat. Man erfährt unter anderem davon, wie hoch der Grad der Schließung von Ressourcenkreisläufen in der Weltwirtschaft ist, wie häufig menschenverursachte Waldbrände sind und was sie anrichten, in welchem Maße die EU ihre industrielle Produktion ausgelagert hat und wohin, wie sich die Landnutzung in Afrika entwickelt, wann die österreichische Landwirtschaft von einer Energiequelle zu einer Energiesenke wurde und wie internationale Hilfe aus einer Naturkatastrophe im indischen Ozean eine noch viel komplexere Katastrophe machte.
Das Buch entstand auf Basis einer Reihe von Workshops mit den Autorinnen und Autoren und einer aufwändigen Redaktion durch das Herausgeberteam. Die daraus resultierende hohe Konsistenz unterscheidet es von vielen anderen Sammelbänden. ?Method précis? stellen sozial-ökologische Forschungsmethoden kurz und bündig vor und verweisen auf sorgfältig ausgewählte weiterführende Literatur. Das Buch ist hervorragend für die universitäre Lehre geeignet und bietet eine Einführung, einen Überblick und einen Ausblick zum Forschungsfeld Soziale Ökologie.
Rückfragehinweis:
Univ.-Prof. Dr. Fridolin Krausmann
+43 1 5224000 412
fridolin.krausmann@aau.at
Klimawandel reparieren? – AAU Studie untersucht Rolle von Climate Engineering
Pressemitteilung
Alpen-Adria-Universität
21. Juni 2016
Unter dem Begriff „Climate Engineering“ arbeiten ForscherInnen an Technologien, mit denen man den durch menschliche Gesellschaften verursachten Klimawandel mit physikalischen, chemischen oder biologischen Mitteln zu „reparieren“ versucht. In einem DFG-Schwerpunktprogramm (2012-2019) wird die Rolle von Climate Engineering in Klimaforschung und Klimapolitik analysiert.
Klassisch gibt es zwei Optionen für den Menschen, mit dem Klimawandel und dessen Folgen umzugehen: Der Mensch kann sich einerseits mittels Klimaschutz um eine Minderung der Ursachen und Konsequenzen bemühen. Andererseits kann er sich und seine Lebensbedingungen an den Wandel anpassen und damit versuchen, negative Folgen abzuschwächen und Risiken zu vermindern.
Als „dritte Option“ versteht sich das Konzept des Climate Engineering (CE), das als neueres Forschungsfeld an der Schnittstelle von Klimaforschung und Klimapolitik entsteht. Im Rahmen dessen werden Vorschläge gemacht, wie beispielsweise das Ausbringen von Partikelwolken in die obere Erdatmosphäre, um damit Sonnenstrahlen ins All zu reflektieren und die Erderwärmung abzuschwächen. Daniel Barben (Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung) führt dazu aus: „Die Crux am Climate Engineering: Die Maßnahmen müssen großflächig erfolgen, um wirkungsvoll zu sein. Darüber hinaus ist es sehr schwer vorauszusagen, welche Folgen die technischen Eingriffe in biogeochemische Kreisläufe der Erde kurz- und langfristig, global und regional haben. Wir müssen uns als Gesellschaften und Weltgemeinschaft in den verschiedenen, damit befassten Arenen fragen: Welche Risiken sind wir unter welchen Rahmenbedingungen für welche Chancen bereit einzugehen?“
„Wenn großskalige Klimainterventionen, wie sie vom CE angedacht werden, neben den vorherrschenden klimapolitischen Optionen Anerkennung finden, werden sich jedenfalls die etablierten Grenzen zwischen Klimaforschung und Klimapolitik verschieben“, so die Annahme von Daniel Barben. Sein neulich im Begutachtungsprozess der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erfolgreich verlängertes Projekt zielt auf ein besseres Verständnis ab, ob, wie und in welchem Ausmaß Climate Engineering Einfluss dazu gewinnt, wie mit der globalen Herausforderung Klimawandel wissenschaftlich sowie politisch umgegangen wird.
Das Projekt mit dem Titel „Verantwortliche Erforschung und Governance an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik des Klimawandels: Neue Diskurse, epistemische Gemeinschaften und klimapolitische Regime durch Climate Engineering?“ wird von Daniel Barben (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt) und Silke Beck (Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, Leipzig) geleitet.
Rückfragehinweis:
Univ.-Prof. Dr. Daniel Barben
Tel: +43 463 2700 6141
Daniel.Barben@aau.at
WU | NachhaltigkeitsKontroverse
The past, present, and future of (un)sustainability.
Die zehnte WU-NachhaltigkeitsKontroverse am 13. Juni trägt den Titel „Learning from history – or not? The past, present, and future of (un)sustainability“. Für dieses Event konnten wir den Historiker Timothy Snyder (Yale University) gewinnen. Nach seinem weltweiten Besteller „Bloodlands“ hat Snyder jüngst „Black Earth“ publiziert – ein Buch, das wesentlich auch Nachhaltigkeitsthemen berührt. Snyder ortet Bezüge zwischen der Geschichte des Zweiten Weltkrieges und der Zukunft der Menschheit in Zeiten des Klimawandels. „Möglicherweise“, so schreibt er unter anderem, „wird die Erfahrung beispielloser Stürme oder gnadenloser Dürreperioden die Erwartungen erschüttern, die in die Sicherheit grundlegender Ressourcen gesetzt werden, so dass eine Hitlersche Politik wieder mehr Anklang finden könnte.“ Nach seinem Vortrag diskutiert Timothy Snyder mit dem Publikum und dem Podium, unter anderem mit dem WU-Professor Ingolfur Blühdorn und der Umwelthistorikerin Verena Winiwarter, die 2013 Wissenschafterin des Jahres war.
WU | The Great Transformation – past and future
Building TC, Room TC.0.03, Welthandelsplatz 1, 1020 Wien